Monday, September 14, 2009

Wicked

Es ist unglaublich. Nachdem schon alles verloren schien, kommt es mir jetzt so vor, als ob der Sommer zurückgekehrt sei. In Leavenworth hatten wir fast 30 Grad, und auch in Seattle knallte am Sonntag die Sonne (auch wenn es westlich der Cascades natürlich —oder Gott sei Dank— nicht ganz so warm war).

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Das richtige Wetter also für einen Spaziergang. Von Norden her in die Innenstadt, den Elliot Bay und Myrtle Edwards Parks folgend, um ein paar Crumpets zu essen. Das sind so eine Art dicke Pfannekuchen, die es mit leckeren Belägen gibt: Pesto & Tomate, Lachs & Gurke, Nutella, Ei mit Blue cheese...

Danach hatte Stefanie eine geniale Idee. Für das (größtenteils ausverkaufte) Musical "Wicked" werden 2h vor Vorstellungsbeginn Karten verlost, die dann schlappe $25 kosten. Und, tatam, prompt waren wir die ersten, deren Los aus dem Hut gezogen wurde.

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Zwar linker Außenrand, aber Reihe drei oder fünf oder so. Genau genommen sogar erste Reihe, denn in dem Sitzblock gab es vor uns keine weiteren Sitze, nur die Bühne. Sehr genial. Hier ein Ausschnitt, der Ohrwurm geht etwa ab 3:30 los.



Worum geht's? Ich empfehle dazu den genialen Artikel von USA erklärt-Autor Scot W. Stevenson. Neben dem Inhalt erklärt er auch den Ursprung solcher Sätze wie "There is no place like home" oder "You're not in Kansas anymore", denen ich auch im Alltagsleben schon begegnet bin.

Kurz gesagt: "Es gibt in jeder Kultur Standardwerke, die man als bekannt voraussetzt. In unserem Breitengrad – oder zumindest Längengrad – gehörten 2.000 Jahre lang die griechischen Heldensagen dazu; dank der modernen Bildungsprioritäten weiß heute aber kaum noch jemand, dass Odysseus sieben seiner zehn Reisejahre damit verbrachte, die Nymphe Kalypso zu vögeln. Die Bibel ist auch ein solches Werk, noch zumindest. Die Deutschen haben Grimms Märchen beigesteuert. Und ständig kommen neue Quellen hinzu: Ob es einem gefällt oder nicht, ein großer Teil der Menschheit versteht inzwischen eher Anspielungen auf Hannibal Lecter als auf Hektor.

Nun gibt es im angelsächsischen Raum einige Werke, die ständig zitiert werden, aber in Deutschland nicht bekannt genug sind, als dass jede dieser Anspielungen erkannt wird. Dazu gehören große Teile von Shakespeare, Bücher wie Alice in Wonderland oder [...]: The Wizard of Oz."


Ein Kinderbuch also. Im Grunde geht es um ein kleines Mädchen, Dorothy, dessen Haus durch einen Wirbelsturm ins Land Oz geweht wird. Das Haus landet auf der Hexe des Ostens. Dorothy zieht dann los, um die Hexe des Westens zu vernichten und den Wizard von Oz zu besuchen. Das schafft sie wie in jedem guten Kinderbuch zu erwarten auch, allerdings nur dank der Hilfe der Hexe des Nordens und ihrer drei Weggefährten: einem Blechmann, einer Vogelscheuche und einem feigen Löwen. Ach ja, und dank einiger fliegender Affen. Nette Geschichte, lohnt sich — eben weil es so eine Art "Hänsel und Gretel" der USA ist.

Das Musical ist raffiniert gemacht. Es erzählt, was vor, während und nach dem Handlungsstrang passiert, der in dem Buch dargestellt wird und gibt dem ganzen eine völlig neue Bedeutung. Nun empfindet man eine Hexe, die in dem Buch selbstverständlich böse war, als gut, die gute als böse, weiß, warum die Affen fliegen und woher der Blechmann kommt. Gut konstruiert und glaubhaft präsentiert.

Fazit: Es passte alles. Gute Plätze, packend buntes Bühnenbild, Ohrwurm-Songs und kulturell-intellektueller Anspruch. Ach ja: Und man bekommt was für's Geld, das Musical dauert 2.5h plus Pause.

P.S.: Seattle hat den Spitznamen Emerald City und ist damit natürlich der ideale Ort, um das Musical zu sehen, denn auch der Wizard von Oz wohnt in Emerald City...

P.S.2: Gerade nochmal recherchiert, woher der Spitzname eigentlich kommt. Und siehe da, die Katze beißt sich in den Schwanz. 1982 wurde eine Wettbewerb für einen Spitznamen für Seattle ausgerufen. Ergebnis: Emerald City, in Anlehnung an den "Wizard of Oz".

Hier noch der zweite Hit aus dem Musical:

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